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Der Friedhof – ein besonderer Ort

Der Friedhof – ein besonderer Ort

Gräbersegnung 2025 am Gisinger Friedhof

Als Bewohner des Hauses Sebastianplatz 5 lebe ich in unmittelbarer Nachbarschaft des Friedhofs. Tag für Tag sehe und treffe ich Menschen, die zum Friedhof gehen oder zum Friedhof kommen. Immer noch mehr wird mir bewusst, dass der Friedhof ein ganz besonderer Ort ist.

Der Friedhof ist ein Ort, an dem uns unsere Toten nahe sind.

Wie oft höre ich Worte wie z. B.: Ich gehe noch zur Mama aufs Grab. Oder: Jetzt war ich bei meinen verstorbenen Eltern. Wenn wir bei den Gräbern unserer Toten stehen, dann spüren wir irgendwie ihre Nähe. Wir sehen sie nicht mehr, wir hören sie nicht mehr. Und doch spüren wir: Ihr Leben ist nicht einfach ausgelöscht. Es hat sich nicht einfach in Nichts aufgelöst. Irgendwo geht es weiter. Der Friedhof ist ein Fenster in die unsichtbare Welt Gottes. Als Christen glauben wir an die große Verzeihung Jesu Christi, der Erlösers der Welt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh, 11,25f).

Der Friedhof ist ein Ort der dankbaren Erinnerung und der Versöhnung

Ich bin überzeugt, dass am heutigen Tag, aber auch das Jahr hindurch, viele dankbare Erinnerungen an unsere Toten in unserem Herzen wach werden, all das Gute, das wir von ihnen empfangen und das Schöne, das wir mit ihnen erlebt haben. Somit ist der heutige Tag wiederum ein Tag der Dankbarkeit für das, was sie uns gegeben haben. Der Friedhof kann und soll zugleich ein Ort der Versöhnung sein. Es gibt auch die Erinnerungen, die mit Schmerzen verbunden sind. Manch einer stirbt, ohne dass er sich entschuldigt hat oder etwas wieder gut gemacht hat. Manch einer stirbt, ohne dass wir ihn um Verzeihung gebeten haben. Es gibt Tote, die uns etwas schuldig geblieben sind, und es gibt Tote, denen wir etwas schuldig geblieben sind. Am Friedhof können und sollen Wunden heilen, am Friedhof können sich die Knoten des Unfriedens und Schmerzen lösen. Die Toten können nur dann im Frieden ruhen, wenn sie versöhnt sind, und auch wir brauchen Versöhnung, damit Friede in unser Herz einkehrt. Senden wir unseren Toten dankbare Worte, senden wir ihnen, wenn nötig, auch versöhnende Worte.

Der Friedhof ist ein Ort des fürbittenden Gebetes

Wenn ein Mensch stirbt, nimmt er seine ganze Lebensgeschichte mit. Alles Materielle lässt er in der Welt zurück. Andere bekommen es, manche streiten darüber. Die Lebensgeschichte aber mit allen Worten, Taten, Entscheidungen, Freuden und Leiden, mit allen guten Werken und allen unguten Dingen, alle Liebe und allen Egoismus, einfach alles nehmen wir mit, alles, was verziehen ist und alles, was nicht verziehen ist, alles nehmen wir mit und alles tritt ein in die Welt Gottes. Das erste und eigentliche nach dem Tod ist nicht eine Art von Verwandtschaftstreffen, sondern die Begegnung mit Gott. Die ganze Lebensgeschichte kommt in Berührung mit der unendlichen Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes. Die Berührung wird beglückend sein in dem Maß, als wir das Gute und Wahre getan haben und Gott geliebt haben. Die Berührung und Begegnung mit Gott wird zugleich schmerzhaft sein im Blick auf das, was der Liebe und Wahrheit widersprochen hat. Deshalb beten wir für die Toten: Lohne ihnen das Gute ihres Lebens. Verzeihe ihnen ihre Schuld und ihre Unterlassungen im Guten. Wie viele seelischen Wunden der Toten können heilen, wenn wir für sie beten oder Messen für sie feiern lassen.

Liebe Besucherinnen und Besucher dieser Feier, bemühen wir uns, so zu leben, dass sich unsere Mitmenschen einmal gerne und mit Dankbarkeit an uns erinnern. Öffnen wir zugleich unser Herz für Gott, damit wir einmal glücklich sind, wenn wir Ihm, dem lebendigen Gott und seiner ewigen, erbarmenden Liebe  begegnen und wir sagen können: Jesus, jetzt darf ich dich sehen und für immer bei dir sein, dich, den ich im Leben gesucht und geliebt, an den ich geglaubt und auf den ich gehofft habe. Amen.

Pfarrer P. Peter Willi FSO