Umkehr zum Leben – Predigt vom 3. Fastensonntag

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Liebe Gläubige,

es gibt einen winzigen Ort auf der ganzen Welt, den wir selber gestalten können. Dieser winzige Ort ist unser eigenes Herz. Christen sind Menschen, die bereit sind, da Hand anzulegen. Sie hören auf die Botschaft Jesu Christi und diese Botschaft ruft sie zu einer lebenslangen Umkehr, zu einer ständigen Erneuerung ihres Lebens. Einen solchen Aufruf haben wir soeben im Sonntagsevangelium vernommen (vgl. Lk 13, 1-5).

Wenn ich mich in einem ganz dunklen Raum befinde, der sehr schmutzig ist, dann werde ich den Schmutz nicht sehen. Wenn sich im Raum eine Glühbirne oder andere Lichtquelle mit einem Stufenregler für die Lichtstärke befindet und wenn ich so den Raum mit 50 Watt ausleuchte, dann sehe ich den ärgsten Schmutz. Wenn ich den Regler weiter aufdrehe auf 75, auf 100 oder auf 150 Watt, dann sehe ich immer mehr Schmutz, ja ich kann sogar den feinsten Staub sehen. So geht es dem Christen. Wer bewusst als Christ lebt, wer sich dem Wort Gottes öffnet, der beginnt immer mehr zu sehen. Er wird Gott und die Werke Gottes immer mehr erkennen, er wird aber auch seine eigenen Fehler immer mehr erkennen. Es gibt Menschen, die sagen: „Ich weiß nicht, was ich beichten müsste. Umgebracht habe ich niemanden und ein paar kleine Fehler gehören zum Leben.“ Solchen Menschen fehlt viel inneres Licht. Andere hingegen erkennen auch kleine Äußerungen des Unmutes, die Nachlässigkeiten Tag für Tag oder die Chancen für das Gute, die sie verpasst haben.

Echte Christen sind Menschen, die innerlich offen und bereit sind, umzukehren. Damit sind sie in unserer Gesellschaft jedoch besondere Menschen. Warum? Weil viele sagen: Ich bin o.k. Christen sind Menschen, die umkehren. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Das Böse ist ein Hügel. Jeder steht auf seinem und zeigt auf einen anderen.“ Echte Christen enthalten sich der ständigen Fremdbeschuldigung und fangen bei sich selber an. Wie schaut Umkehr aus? Ich nenne nur ganz wenige Beispiele:

  • Etwas weniger manchen Hobbies nachgehen und dafür mehr Zeit für die Mitmenschen aufbringen.
  • Nach vielen Jahren wieder anfangen, die Bibel zu lesen oder in die Sonntagsmesse zu gehen.
  • Die Zeit am Handy reduzieren und mehr Zeit nehmen, um sich mit dem Kind abzugeben.
  • Das Zusammenleben beenden und die Partnerbeziehung im Sakrament der Ehe unter den Segen Gottes stellen.
  • Die Gier nach dem Geld und andere Begierden auf ein vernünftiges Maß reduzieren. usw. usw. Wie es viele körperliche Krankheiten gibt, so gibt es auch viele „Krankheiten der Seele“, d.h. viele Formen von Fehlern und Fehlhaltungen.

In der ersten Lesung haben wir gehört, dass Gott den Plan gefasst hat, das Volk aus der Knechtschaft Ägyptens herauszuführen und in die Freiheit zu führen (vgl. Ex 3,8a). Auf der einen Seite ging es den Israeliten in Ägypten gut. Sie haben die Gurken, Melonen und vieles andere genossen. Auf der anderen Seite waren sie unfrei und Sklaven. Sie sind ein Sinnbild für viele Zeitgenossen. Auf der einen Seite geht es vielen Menschen gut, auf der anderen Seite gibt es viele Zwänge, viele „Muss“. „Ich muss dies haben, ich muss jenes haben. Ich muss da dabei sein und mich dort sehen lassen. Ich muss mir das kaufen und jenes leisten können. Ich muss gut dastehen. Ich darf mir keinen Fehler leisten.“ Wie viel Formen von größerer und kleinerer Unfreiheit gibt es in unserer Gesellschaft? Die Israeliten sind unter der Führung des Mose aus Ägypten ausgezogen. Die Christen vollziehen unter der Führung von Jesus Christus auch einen anderen Auszug, den Auszug aus falschen Lebensgewohnheiten, den Auszug aus einem Lebensstil, wo Geld, Vergnügen und anderes zu dominant sind, den Auszug aus Übertreibungen und Zwängen, den Auszug aus der Lüge, der Bequemlichkeit, der Habsucht und vielen anderen Sünden und Fehlern, Süchten und Begierden, die Paulus in der zweiten Lesung angesprochen hat (vgl. 1 Kor 10,6).

Liebe Brüder und Schwestern, die Fastenzeit ist die gnadenvolle Zeit der Standortbestimmung. Wir können nicht die Welt verbessern und nicht die Mitmenschen verbessern. Wir können uns selbst ändern und so tragen wir dazu bei, dass sich etwas in der Welt verändert. Ein Christ bleibt nie stehen. Er ist ehrlich zu sich selbst und stellt sich die Frage: Wo muss ich mich ändern – durch meine eigene Anstrengung und mit der Hilfe Gottes.

Wer an sich arbeitet, der wird entdecken: Es gibt bei mir den einen oder anderen Punkt, wo ich scheinbar nicht weiterkomme. Der eine fällt immer wieder ins Nörgeln, der andere kämpft immer wieder mit seiner Feigheit, der dritte kann sich nicht befreien von der Eifersucht und der vierte von etwas anderem. Angesichts solcher Grenzerfahrungen ist es wichtig, nicht aufzugeben. Augustinus sagt einmal: „Wenn dich Gott auch nicht immer als Sieger sieht, so freut er sich doch, dich als Kämpfer zu sehen.“ Die Heiligen haben alle ein Leben lang mit dem einen oder anderen Punkt gekämpft. Sie waren nicht immer Sieger, aber sie waren immer Kämpfer. Diese Bereitschaft liebt und ehrt Gott. Niemand von uns wird fehlerlos sein, aber es ist einfach wunderbar, wenn Menschen bei sich selber anfangen, anstatt über andere herzuziehen. Jesus sagt einmal, dass jeder Mensch, der umkehrt, Freude im Himmel verursacht. Jeder von uns soll Freude im Himmel verursachen. Es ist angenehm, mit Menschen zusammenzuleben, die an sich selber arbeiten, auch wenn sie nicht fehlerlos sind. Zu dieser Umkehr ruft uns heute Jesus.

Zum Schluss noch eine Geschichte für Kinder, aber nicht nur für Kinder: Ein böser Mann wurde von der Polizei geschnappt und vom Richter zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Die Jahre im Gefängnis waren gute Jahre, denn der Mann bereute und begann ein neues Leben. Der Tag der Entlassung kam. Wohin sollte er gehen? Darf er zurückkommen in die Familie? Er schrieb an seine Familie: In wenigen Tagen werde ich entlassen. Dann fahre ich mit dem Zug nach Hause, der am elterlichen Hause vorbeifährt. Wenn ich nach Hause kommen darf, dann hängt bitte auf den  Lindenbaum vor dem Haus ein weißes Leintuch. So weiß ich, dass ich kommen darf. Mit Herzklopfen stieg er in den Zug ein. Es wurde immer stärker. Der entscheidende Moment kam. Plötzlich sah er den Lindenbaum. Er war behangen mit vielen weißen Leintüchern.

Bei Gott dürfen wir immer nach Hause kommen. Durch seinen Tod und seine Auferstehung hat Jesus einen Baum mit vielen weißen Tüchern vor die Türen unseres Herzens gepflanzt. Ein solcher Baum steht auch vor jedem Beichtstuhl. Im Glauben sehen wir ihn. Die Liebe Gottes ruft uns zur Umkehr, sie ruft uns heim in das Erbarmen Gottes. Amen.

P. Peter Willi FSO