Predigt bei der Eucharistiefeier am 13. Mai 2018 – Radiomesse

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Übertragen vom ORF Vorarlberg

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Liebe Schwestern und Brüder!

Der Apostel Johannes hat uns heute in der zweiten Lesung gesagt: „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben“ (1 Joh 4,11). Was heißt das: einander lieben? Lassen wir uns von Jesus fünf Antworten geben.

  1. Lieben heißt helfen, wo Not ist.

Jesus blieb nicht unberührt vom Leid der Menschen. Er hatte Mitleid mit kranken, hungernden und trauernden Menschen. Er schenkte der schmerzerfüllten Witwe von Nain ihren einzigen Sohn lebend zurück, der schuldbeladenen Ehebrecherin verzieh er ihre Sünde, dem suchenden Nikodemus gab er Antworten, den von Dämonen geplagten Menschen brachte er Befreiung. Lieben heißt: sensibel sein für die körperlichen und seelischen Bedürfnisse und Leiden der Menschen und helfen. Der Pulsschlag der Liebe Christi zu den Menschen soll in unserem Herzen weiterschlagen. Liebe will helfen.

  1. Lieben heißt, selbstlos sein

Bei den Römern gab es das Sprichwort: do ut des – ich gebe, damit du  gibst. Jesus lehrt uns eine noch viel größere Liebe, eine Liebe, die selbstlos ist und nicht auf Gegenleistung wartet. In der Bergpredigt sagt er uns: „Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten?“ (Mt 5,46). Er ruft uns zu einer grenzenlosen Liebe, die nicht stehen bleibt bei den Gefühlen der Antipathie, der Enttäuschung oder der Verletzung. „Die Liebe ist das einzige, das wächst, wenn wir es verschwenden“ (Spruchkarte). Die selbstlose Liebe überschreitet viele Grenzen.

  1. Lieben heißt, etwas fordern

Jesus hat die Menschen nicht beweihräuchert, ihnen nicht ständig gesagt, wie super und klasse sie sind, und ihre Gunst nicht durch Schmeichelein gesucht. Mit Lob ging er zurückhaltend um. Mit hohen Forderungen hat er sie auf den guten Weg, auf den Weg des Glaubens gerufen – aus Liebe. Jesus lehrt uns, dass die Liebe manchmal auch im Gewand der Strenge auftreten muss. Wer liebt, wird etwas fordern und nicht ständig nachgeben, er wird Geschenke machen, aber nicht verwöhnen, er wird loben, aber den anderen nicht immer aufs Podest stellen, er wird Verständnis zeigen, aber auch für die Wahrheit und die Gerechtigkeit eintreten. Die Liebe fordert, um zu fördern. Ich persönlich bin allen Menschen dankbar, die mich aus Liebe gefordert haben.

  1. Lieben heißt, Geduld haben:

Die Erziehung der zwölf Apostel zu glaubenden und innerlich starken Männern war nicht leicht. Einmal sagte Jesus zu ihnen: „Begreift und versteht ihr immer noch nicht?“ (Mk 8, 17). Er hatte so manche Mühe mit ihnen, aber er verlor nie die Geduld. Jesus lehrt uns, dass das Alltagskleid der Liebe die Geduld ist. Wie oft brauchen wir sie: die Geduld  – im Zusammenleben und Zusammenarbeiten. Wie oft brauchen wir die Geduld auch mit uns selbst. Ohne Geduld zerbricht das kostbare Porzellanglas der Liebe. Mutter Julia Verhaeghe sagte einmal: „Die Geduld macht die Liebe stark und unüberwindlich.“

  1. Lieben heißt verzeihen

Jeder Mensch hat Fehler und ist schwach. Soll die Liebe nicht schwach werden oder erlöschen, braucht es die Vergebung. Jesus ging mit dem Verzeihen bis zum Äußersten. Er hat den Soldaten verziehen, die ihn ans Kreuz schlugen. Er hat dem Petrus verziehen, der ihn dreimal verleugnet hat. Die verzeihende Liebe Jesu haben schon viele erfahren, z. Bsp. die vierfache amerikanische Olympiasiegerin Sonja Richards-Ross. Um der sportlichen Karriere willen sagte sie Nein zu einem Kind, das unterwegs war. Sie und ihr Mann bereuten dies später unter Tränen. Zugleich öffnete sich die Karrierefrau der verzeihenden Liebe Jesu, wurde später Mutter und schrieb auf Instagram: „Jahrelang haben mir Mütter davon erzählt, aber bis jetzt konnte ich es nicht begreifen, wie großartig es ist, Mutter zu werden.“

Lieben heißt helfen, wo Not ist, lieben heißt selbstlos sein und etwas fordern, lieben heißt Geduld üben und verzeihen. Lieben heißt noch vieles andere mehr.

Heute am Muttertag danken wir allen Frauen, die Kindern das Leben geschenkt haben. Mutter wird man durch Zeugung und Geburt, aber noch viel mehr durch die Liebe zum Kind. Liebe ist die notwendige „Muttermilch“ für die gesunde seelische Entwicklung eines Kindes. Wer in jungen Jahren Liebe erfahren hat, kann sie später weiterschenken. In einer Atmosphäre der wahren Liebe aufzuwachsen, ist mehr wert als viele materielle Dinge zu bekommen. Die Liebe einer Mutter ist wie das Dach über dem Kopf. Liebe schenkt Geborgenheit. Wir danken allen Müttern und auch allen Frauen, die keine eigenen Kinder haben, aber Frauen der Liebe, Frauen mit Herz sind. Amen.

P. Peter Willi FSO