Sicherheit in unsicheren Zeiten

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Liebe Pfarrgemeinde!

Während ich diese Zeilen schreibe, kehrt das gesellschaftliche Leben Schritt für Schritt zur Normalität zurück. Was aber ist eigentlich normal? Einander die Hände zu reichen, ohne Mund- und Nasenschutz einkaufen gehen zu können und vieles andere mehr, sollte wieder normal sein. Gute Lebensmittel in die Mülltonne zu werfen, Bücher in China drucken zu lassen oder für fast kein Geld nach Barcelona oder London zu fliegen, sollte nicht mehr als normal angesehen werden. Ich sehe in der Coronakrise einen Ruf Gottes zu einer neuen Normalität, in der Millionen Menschen nicht mehr verhungern müssen, Ungeborene leben dürfen, die Umwelt von den Übertreibungen einer Wohlstandsgesellschaft nicht mehr belastet wird und viele Menschen wieder lernen, nach den zehn Geboten Gottes zu leben. Die Coronakrise hat viel Unsicherheit gebracht. Der Mensch aber will in Sicherheit leben. Was und wer gibt uns Sicherheit?

Einander Sicherheit schenken

Sicherheit und Geborgenheit ist das Beste, was Eltern ihren neugeborenen und heranwachsenden Kindern schenken können. Nicht nur Kinder auch Erwachsene brauchen Sicherheit. Pensionsversicherungen, Gesundheitssysteme, Polizei, Rettungsmannschaften, eine gute Regierung, gute Gesetze usw. geben uns Sicherheit. Alle müssen dazu beitragen, dass dieses öffentliche Sicherheitssystem gut funktioniert. Die öffentliche Hand kann jedoch auch nicht alles leisten. Einander Sicherheit und Geborgenheit schenken, das muss jedem ein Anliegen sein. Miteinander statt nebeneinander und gegeneinander leben, schenkt Sicherheit.

Teilen und solidarisch sein anstatt gierig und unersättlich sein, schenkt Sicherheit. Dem Anderen Zeit, Aufmerksamkeit, Hilfe, Wertschätzung, Dank, Wohlwollen und Vergebung schenken, lässt uns Krisenzeiten durchstehen und bewältigen.

Gott schenkt Sicherheit

In der Heiligen Schrift wird Gott als Fels bezeichnet. In einem biblischen Gebet heißt es: „Es lebt der HERR, gepriesen sei mein Fels! Der Gott, der Fels meiner Rettung, sei hoch erhoben“ (2 Sam 22,47). Der Fels ist Sinnbild für Sicherheit. Wer in guten Zeiten Gott die Treue hält, erfährt ihn in unsicheren und schweren Zeiten als Halt, Kraft und Felsen. In einem geistlichen Lied heißt es: „Gott, du hast ein Recht auf meine Treue.“ Wahre Liebe überwindet die momentane Unlust, sie bewährt sich in der Treue, in der täglichen und wöchentlichen Treue zu Gott, in der Treue zum Gebet und zum Gottesdienst, in der Treue zu seinem Wort und seinen Geboten.

Ich habe eine konkrete Bitte an Sie: Bleiben Sie ein(e) treue(r) Gottesdienstbesucher( in) oder werden Sie es wieder. Das erste der fünf Kirchengebote „Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen an der Messe teilnehmen“, gilt auch heute noch. Es ist nicht nur eine Empfehlung, es ist ein Gebot. In der Coronazeit haben die Bischöfe vom Sonntagsgottesdienstgebot dispensiert, aber diese Zeit der Dispens ist wieder vorbei. Wer die Messe mitfeiern könnte, es aber nicht tut, macht sich schuldig vor Gott. Wer regelmäßig geht, auch wenn es ab und zu eine Überwindung kostet, wird mit der Zeit die Erfahrung machen: Ich empfange viel mehr als ich gebe.

Verantwortung übernehmen für das eigene Leben schenkt Sicherheit

Ein Sprichwort sagt: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Man könnte auch sagen: „Jeder ist seiner Sicherheit Schmied.“ Wer an Gott glaubt und ein Leben der Nächstenliebe und Solidarität lebt, baut sein Leben auf ein sicheres Fundament. Ich möchte noch zwei sicherheitsfördernde Haltungen nennen: Mäßigkeit und strukturiertes Leben. Unmäßigkeit ist Ausdruck von innerer Schwäche. Wer sich beim Essen, Trinken, Einkaufen, Arbeiten, Genießen, Reden, beim Sport und Hobbies oder medialem Konsum nicht vernünftige Grenzen setzen kann, ist innerlich schwach. Wer lernt, Grenzen zu setzen, um ein Zuviel und ein Zuwenig zu vermeiden, wird stark. Mäßigkeit bewirkt innere Festigkeit und Kraft, ein strukturiertes Leben ebenso. In Medjugorje ist eine katholische Ordensgemeinschaft entstanden, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, drogenabhängige Menschen durch ein strukturiertes Leben zur inneren Kraft zurückzuführen. Es ist erstaunlich, wie erfolgreich diese Schule ist, auch wenn sie einiges abverlangt. Ein Leben mit möglichst fixen Zeiten für Schlaf, Arbeit, Mahlzeiten und Erholung verleiht psychische Stabilität.

Niemand sollte allzu schnell sagen: „Wir haben es geschafft! Wir werden es auch in Zukunft schaffen!“ Es ist anzunehmen, dass noch schwierige Momente kommen werden, für den einen mehr, für den anderen weniger. Wir verfügen jedoch über drei gewaltige Ressourcen: unser christlicher Glaube, Solidarität und Liebe und verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Freiheit. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen viel Zuversicht für den weiteren Weg.

P. Peter Willi FSO