Glaube auf dem Prüfstand

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Glaube auf dem Prüfstand

Mt 15, 21-28

Liebe Schwestern und Brüder !

Um das Evangelium dieses Sonntags in seiner Tiefe und Dramatik verstehen zu können, muss man das Verhältnis der Juden zu den Nichtjuden vor 2000 Jahren mit bedenken. Das jüdische Volk war das von Gott auserwählte Volk. Er hat diesem Volk viel Gutes erwiesen, auch wenn dieses Volk die Treue und Liebe Gottes oft nicht genügend beantwortet hat. Die Juden nannten alle anderen Völker einfach die Heiden, was auch bedeutete: diejenigen, die nicht an den einzigen und wahren Gott glauben. Diese Auserwählung haben manche mit falschem Stolz gelebt, anstatt mit Dankbarkeit.

Jesus kam in diese Welt, um das Heil Gottes, seine Botschaft, seine Liebe nun allen Menschen anzubieten, auch wenn er sich selbst mit einigen wenigen Ausnahmen dem Volk Israel zuwandte, vor allem den durch die Sünde verlorenen Schafen des Volkes Israel. In diesem Sinn sagt er heute im Evangelium: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Seine Apostel und Jünger hat er erwählt und bestellt, dass sie in seinem Namen das Heil in die ganze Welt hinaustragen.

Einmal begab er sich in die Gegend von Tyrus und Sidon, einem heidnischen Land, im heutigen Libanon gelegen. Eine Nichtjüdin, eine kanaanäische Frau, wendet sich an ihn, die in größter Not war. Ihre Tochter wurde von einem Dämon gequält. Wie sich diese Qualen zeigten, wird nicht genauer beschrieben. Jedenfalls war die Frau verzweifelt. Sie wusste zugleich um diesen Graben zwischen Juden und Nichtjuden, zwischen ihr und Jesus. Dennoch wagte sie den Schritt zu Jesus. Wer leidet, sucht Hilfe, wer auch immer helfen kann oder zu helfen behauptet.

Nicht mit zarter Stimme, sondern mit kräftiger Stimme rief sie: „Hab Erbarmen mit mir. Herr, du Sohn Davids. Meine Tochter wird von einem Dämon gequält“. Ihre ganze Ehrfurcht vor Jesus drückt sie aus in den Worten: „Herr, du Sohn Davids.“ Sie anerkennt ihn Angehörigen des jüdischen Königsgeschlechts, der königlichen Familie des David. Jetzt aber kommt eine befremdende Reaktion Jesu: „Jesus aber gab ihr keine Antwort.“

Man sagt zu Recht: Wenn jemand nicht reagiert, ist das meistens schmerzlicher, als wenn jemand negativ reagiert. Wenn man einem Mitmenschen Schmerz zufügen möchte, dann straft man ihn bewusst mit Schweigen. Jesus wollte sie nicht strafen.

Jesus prüft ihren Glauben. Gibt es solche Glaubensprüfungen nicht auch in unserem Leben? Wir beten und beten…, aber Gott schweigt. Er rührt sich nicht. Der heilige Johannes von Kreuz ging durch solche Glaubensprüfungen und drückt sie so aus: „Schreiend bin ich dir nachgelaufen, aber du warst verschwunden.“.

Das Leid lässt die Frau weiterkämpfen. Sie wird immer lauter. Den Jüngern geht das auf die Nerven und sie sagen zu Jesus: „Schick sie fort, denn sie schreit hinter uns her!“ Jetzt kommt sie eine zweite Zurückweisung Jesu, wenn er sagt: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Es scheint, dass sich Jesus nicht für sie interessiert.

Sie macht weiter. Sie fällt vor Jesus nieder. Sie bezeugt tiefe Ehrfrucht! Sie wiederholt ihre Bitte: „Herr, hilf mir.“ Jetzt kommt die dritte Zurückeisung der Frau: « Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen.“ Mit anderen Worten: Es ist nicht recht, das Brot den von Gott geliebten Juden wegzunehmen und es den Hunden, den Heiden, vorzuwerfen. Welche Demütigung! Der Glaube der leidenden Frau ist unerschütterlich und sie sagt: „Aber selbst die kleinen Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch des Herrn fallen.“

Und jetzt kommt ein wunderbarer Lobpreis Jesu auf den Glauben dieser Nichtjüdin: „Frau, dein Glaube ist groß.“ Zum Schönsten, was Jesus über einen Menschen sagen kann, gehören diese Worte: Dein Glaube ist groß. Dein Vertrauen zu Gott ist wunderbar. Solchen Glauben belohnt Jesus: „Es soll dir geschehen, wie du willst. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.“

Mit einem Gebet schließe ich ab: Jesus, schenk uns einen solchen Glauben, oder wenigstens ein wenig von diesem Glauben der kanaanäischen Frau. Einen unerschütterlichen Glauben. Einen Glauben, der über alle unsere Gedanken und Gefühle hinausgeht. Einen Glauben, der jeder Enttäuschung standhält, einen Glauben, der jeder Versuchung zur Mutlosigkeit, zur Rebellion, zur Abwendung von Gott standhält, einen Glauben, der durch Nächte geht, durch lange Wartezeiten, durch was auch immer. Schenk uns einen Glauben, auf den du mit Erhörungen und Wundern antwortest. Amen.

P. Peter Willi FSO