Kraft schöpfen

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Liebe Pfarrgemeinde,

„Ich bin für Psychotherapie auf Krankenschein!“ Mit dieser Aussage trat Wolfgang Mückstein, der neue Gesundheitsminister, in seinem ersten Statement als Minister an die Öffentlichkeit. Er spürt, was viele spüren: Die Psyche vieler Menschen ist angeschlagen. Viele haben Corona bisher gut überstanden, andere hingegen, vom Kind bis zum alten Menschen, sind belastet oder überbelastet oder weisen echte Krankheitssymptome auf. Menschen fühlen sich ausgepowert. Jede menschliche Psyche braucht Kraft, die angeschlagene Psyche braucht Therapie, d.h. Heilung. Viele Heiler, Heiltherapien und Heilungswege bieten sich an. Der diesbezügliche Markt floriert.

Das eigene Kraftpotential entfalten

Im menschlichen Körper und in der menschlichen Psyche gibt es Kräfte. Sie sollen aktiviert werden durch sportliche Aktivitäten, Entspannungs- und Konzentrationsübungen, gesunde Ernährung, strukturiertes Leben, Fasten, Disziplin, Urlaub usw. Manch einer ist erstaunt, was er da an Kraft entdeckt und freilegt. Das eigene Kraftpotential aber ist zu wenig. Als Christen kennen wir noch andere „Energien“ als jene, die in uns oder in der Natur liegen. Schon vor 2000 Jahren sagte der hl. Paulus, der in einer Zeit lebte, die unserer nicht unähnlich ist: „Übe dich in der Frömmigkeit! Denn körperliche Übung nützt nur wenig, die Frömmigkeit aber ist nützlich zu allem“ (1 Tim 4,7f).

Jesus – die beste Kraftquelle

Im Evangelium sagt uns Jesus: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken“ (Mt 11,28). Die fünf Hauptlasten, mit denen das menschliche Leben beladen ist, lauten: 1. körperliche und seelische Krankheiten, 2. Beziehungsprobleme, 3. Sorgen, 4. eigenes Versagen und Schuld. 5. die Erfahrung von Ungerechtigkeit. Die Kraftquelle für uns, diese fünf Lasten zu tragen, ist die liebende Person Jesu Christi. Jesus tritt mit dem Anspruch auf, unsere Schultern zu stärken, um diese Bürden zu tragen. Ich war z. Bsp. immer wieder überrascht, glaubenden Menschen in der Coronazeit zu begegnen, die trotz vieler Einschränkungen und Umstellungen aus einer inneren Kraft heraus die innere Ruhe und Gelassenheit bewahrt haben.

In der Bergpredigt spricht Jesus einmal von zwei Häusern (Mt 7,24-27). Das eine war auf Sand gebaut, das andere auf Felsen. Die Stürme kamen. Das Haus, das auf Sand gebaut war, stürzte zusammen, das andere blieb stehen. Das Haus sind wir, der Sand die eigenen Kräfte, der Fels das Gottvertrauen. Die Stürme sind die Belastungen des Lebens: Krankheit, Beziehungsprobleme, Arbeitslosigkeit, materielle Nöte, Coronakrise und anderes mehr. Stürme gehören zum Leben. In irgendeiner Form kennt sie jeder. Mit eigenen Kräften gerät man immer wieder an Grenzen. Der Glaube ist die Kraft, dass das Lebenshaus nicht zusammenbricht.

Kraftreserven anlegen

Kluge Menschen, die mehr verdienen als sie Monat für Monat brauchen, legen Geldreserven oder andere Kapitalreserven an. Reserven geben Sicherheit. Es gibt auch geistliche Reserven. Wer in guten Zeiten betet und Gott nicht vergisst, der macht in schwierigen Zeiten die Erfahrung: Es gibt eine Kraft, die mich trägt. Eine junge gläubige Witwe mit Kindern sagte mir einmal: „Ich hätte nie geglaubt, wie viel Kraft ich bekommen habe. Ich habe mich nie als starke Frau gesehen, aber das Gebet hat mich stark gemacht.“

Freundschaften und Begegnungen

Der jüdische Sozialphilosoph Martin Buber meint: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Wir leben von Begegnungen: Begegnungen im familiären Kreis, gemeinsames Tun und Erleben, gemeinsames Beten und Singen. Wenn es uns an Begegnungen und Kontakten mangelt, wird die Psyche krank. Ich möchte dazu ermutigen, viel Zeit für Begegnungen zu investieren. Jetzt ist die Zeit, wieder mutig aufeinander zuzugehen. Neben den Gottesdiensten laden auch wir im Rahmen der Sommerkirche zu verschiedenen Begegnungen ein. P. Johann und ich wünschen allen Gisingern erholsame und erlebnisreiche Sommerwochen und immer wieder die Erfahrung, welches Kraftpotential im Glauben geborgen ist.

P. Dr. Peter Willi Pfarrer